Verschiedenes

Wie viele Dixi Klos braucht man für 80.000 Menschen?

Bei meinem morgendlichen Lauf durch den jüngst an dieser Stelle beschriebenen Stadtpark, beobachte ich derzeit Beeindruckendes. Dort entsteht quasi aus dem Nichts eine Stätte der Kultur. Sie macht sich breit und breiter und versagt dem lustwandelndem Bürger bereits seit einer mehr als guten Woche den Zutritt zur im Zentrum der Grünanlage gelegen Liegewiese. Dort wird eine Spielstätte aus dem Boden gestampft, die über 80.000 Konzertbesuchern am morgigen Samstag Zutritt gewähren soll. Weder Tri-, noch Bühne fallen dabei vom Himmel, sondern erfordern einen logistischen Aufwand, der immens ist. Selten habe ich so viele Meter Zaun am Stück gesehen. Was das bereits im Vorfeld bedeutet, erfahren ich und die anderen aktuell live und in Farbe. Die Stones rollen auf uns zu und ich bin sicher, dass mir mit diesem kleinen Wortwitz ein absolutes Novum gelungen ist. Mir stellen sich zwei Fragen: A) Wie viel Geld erhält die Stadt dafür und B) Welcher Gierlappen hat das entschieden? Denn was sonst, als Geld in Hamburgs Kassen, könnte der Grund dafür sein, ein Konzert dieses Ausmaßes nicht in einer dafür passenden und darauf vorbereiteten Lokalität wie z.B. dem Volksparkstadion oder der Trabrennbahn stattfinden zu lassen? In den Medien spricht man von einer 6 stelligen Summe, und das kann ja wohl nur €uro 999.999 meinen. Ich will hoffen, dass mein schweigender und mein zeitinteressierter Bekannter, zuständig für die Sauberkeit im Park, davon einen fetten Batzen abbekommen. Freikarten im VIP-Bereich sind ihnen sicherlich garantiert. Ein kleines Treffen mit den Künstlern im Backstagebereich? Mir graut es, wenn ich an den Montagmorgen nach dem Samstagabend denke. Wie wird der Park aussehen, nachdem eine solche Masse an Menschen über ihn hergefallen ist? Wo genau sollen gut 80.000 Menschen ihre Notdurft verrichten? Die zwei zuverlässigen Kräfte werden ihren Job machen und sich freuen, dass ihre Arbeitsplätze nach diesem Event auf lange Zeit sicher sind. Und vielleicht kauft mein Bekannter sich von seiner Boni einen Chronometer der Extraklasse.

Königlich Jammen

Obwohl der europäische Hochadel sich weitestgehend von seinen vererbten Regierungsgeschäften zurückgezogen hat, mangelt es uns auch heutzutage nicht an Königinnen und Königen: Sowohl die Königin der Nacht und die der Herzen, als auch die des Ameisen-, Bienen- und Menschen-Volkes sind uns vertraut. Der König der Löwen und sein Freund der Schützenkönig freuten sich wie ein Schneekönig, wenn der Ballkönig ein Königreich für ein König Pilsener gäbe. Und der Kunde ist sowieso König. In der Kunst buhlen die verschiedenen Arten immer mal wieder um den Thron. Wäre diese Monarchie eine gewählte Demokratie, wüsste ich sehr gut, wo ich mein Kreuz machen würde: Bei ihrer Majestät der Musik natürlich. Am Wochenende hatte ich die Ehre, Gast des nestwärme e.V. Sommerfestes in Berlin zu sein. Für die Menschen, die sich in diesem Nest tummeln, ist es selbstverständlich, dass jeder irgendwie anders und auf seine Weise hier begabt und dort behindert ist. Musik spielt eine große Rolle und es geht dabei u.a. um Können und Freude. Ein weiterer Gast war Oliver. Ein Junge, dessen Mutter während ihrer Schwangerschaft, warum auch immer, nicht darauf verzichten konnte, Alkohol zu trinken. Den Preis dafür zahlt Oliver als alkoholembryopathisches Kind und inzwischen Jugendlicher, dessen genaues Alter schwer zu schätzen ist. Mit seiner charmanten Art des Smalltalks, hatte er die Herzen seiner Gesprächspartner schnell geöffnet. Als er sich während des Auftritts eines großartigen, nestwarmen Musikers, zwar ohne Syndrom, aber wie die meisten mit anderem menschlichem Gepäck versehen, eine herumstehende Cajon schnappte und anfing, sie ihrer Bestimmung gemäß zu spielen, wurden die Umstehenden schnell aufmerksam, schoben ihre sich öffnenden Vorurteilsschubladen zu und etikettierten sie um. Oliver hatte richtig gut getrommelt und wurde ermutigt, den Professionellen auf der Bühne zu begleiten. Beide, der wahre Künstler und der scheinbar Behinderte, haben zusammen musiziert, sich gegenseitig inspiriert, respektiert und ihr Publikum zutiefst berührt. Stunden später, am Ende eines langen Festes, stand der harte Kern Hand in Hand “Amazing Grace“ singend, summend und schließlich weinend zusammen. Darum ist Musik die Königin der Kunst. Sie berührt unsere Herzen unmittelbar und stellt sie einander vor. Ich bin froh, dass sie mich immer mal wieder ihre Hofdame sein lässt. Und auch wenn ich selbstverständlich am 24. wählen gehe und mein Kreuz keinesfalls an der rechten, wohl aber der demokratischen Stelle mache, bin ich unter diesem Gesichtspunkt doch Royalistin.

Hallo, ich bin Co. Hallo Co.

Wenn ein Mensch nicht mehr ohne kann, dann nennen wir ihn abhängig. Abhängig vom Power Shoppen, exzessiven Sport, Teufel Alkohol, hemmungslosen Sex, schlingenden Essen bzw. dem verweigern oder Erbrechen desselben, von angeblich bewusstseinserweiternden Drogen, schlafbringenden oder schmerzstillenden Medikamenten, nervenkitzelndem Spiel am entsprechenden Tisch oder Automaten, den neuen Medien, dem Menschen, den wir scheinbar mehr lieben, als uns selbst, Nächten in der Firma tatsächlich oder virtuell bzw. in Gedanken, der Anerkennung derer, die uns umgeben, vom Ritzen, Stehlen oder Prahlen. Egal, welche Sucht den Menschen treibt, ob nun stoffgebunden oder nicht, es ist ein kaum zu ertragender Zustand für alle, die damit zu tun haben, und es gibt im Grunde nur zwei Wege, damit umzugehen. Wir können uns zum Helfer und Retter aufschwingen, den Süchtigen beschützen, für ihn lügen und ihm das Objekt seiner Begierde zugänglich machen, wenn wir es besorgen, finanzieren und tolerieren. Indem wir betteln, flehen, jammern und drohen, wir würden all das nicht mehr mitmachen, ohne es jemals wirklich anders zu tun. Den Ernst der Lage leugnen, beschönigen oder verdrängen. Dabei resignieren und der Verbitterung eine Heimstatt bieten. Die Verantwortung für unser Leben bei allen suchen, die hier versagen, nur nicht bei uns selbst. Das geht, zur Not ein Leben lang. Wir können aber auch beschließen, uns und die Unmündigen in unserem Haushalt zu retten und dem Süchtigen sagen, es gäbe genau zwei Möglichkeiten. Den Untergang, und zwar allein. Oder den Verzicht und damit die Konfrontation mit allem, wovor die Sucht ihn schützen soll. Mit uns an seiner Seite. Wir diskutieren das oft im Freundeskreis, kennen jeder mindestens einen Nachbarn, Kollegen oder Bekannten, der in letzter Zeit oder schon immer oder immer mal wieder. Dann heben wir das Glas und prosten uns zu. Auf uns! Wie gut, dass nur all die anderen ein Problem haben.

Einfach mal mit der Faust auf den Geburtstagstisch.

Eine sehr junge Freundin war neulich auf einem Wiegenfest zu Gast. Sie saß mit der Familie des Geburtstagskindes an langer Tafel, trank Kaffee, aß Kuchen und man plauderte so über dies und das. Eine Tante der Jubilarin fiel meiner Freundin auf, zuerst nur mäßig, dann aber zunehmend unangenehm. Sie sprach von all den Achmeds in der Klasse ihres Sohnes und davon, dass seine öläugigen Eltern und die öläugigen Eltern all der anderen Suleikas schon mächtig pfiffig seien, genau wüssten, was ihnen zustünde und sich kackfrech holen würden, was unser Staat denen hinten und vorne und zwar stopfe. Und auch wenn das keiner laut sagen dürfe, sie jedenfalls ließe ihre Tochter nicht mehr nach 19:00 Uhr, bei all den dunklen Gestalten, die sich auf unseren Straßen triebhaft trieben. Junge Männer, mit ungezügelter Lust in der Hose und neustem Smartphone am Schmarotzer-Ohr. Aber nicht mehr mit ihr, sie und viele andere würden dafür Sorge tragen, dass unser Land deutsch bliebe und am 24. einer Partei ihre Stimme geben, die das wirtschaftsflüchtige Kind beim Namen nenne und aufräume. Je länger meine Freundin diesem Schwachsinn zuhörte, umso dringlicher wollte sie der Dame Paroli bieten. Aber der Mut hat ihr gefehlt, denn schließlich war sie eingeladen, sie wollte die feiernde Runde nicht stören und ihr fehlten die Fakten, diesen Dreck zu widerlegen. Sehr jung wie sie ist, war ihre Zivilcourage kurz vor die Tür gegangen, um ganz tief Luft zu holen. Ich kann das gut verstehen. Denn obwohl an Jahren reicher, kostet es mich doch Überwindung, wenn ich mich genötigt fühle, den Konventionen zu trotzen, weil es um mehr geht, als den guten Ton. Mich solchen Efas mit Nachnamen Dunkles-Beige wie eben jener Tante zu stellen, fällt mir nicht schwer. Kommt jedoch einer mit scheinbar fundierten Argumenten in einem Bereich, in dem ich mich nicht wirklich kundig fühle, werde ich unsicher. Ruft mein Wertebild mir dann aber lauthals zu, dass der Andere menschenverachtende Scheiße redet, dann beziehe ich Stellung und lasse ihn wissen, was ich von ihm und seiner rechtsverklärten Sachlichkeit halte. Am kommenden Sonntag zieht meine sehr junge Freundin das erste Mal aus, unsere Demokratie zu ehren und zu wählen. Mutig wird sie ihr Kreuz an einer Stelle machen, die unser wertvollstes Gut schützt und verteidigt. Unsere Freiheit. Auch wenn das bedeutet, dass Menschen, denen irgendjemand ins Hirn geschissen hat, Familienfeiern mit ihrer mitgebrachten braunen Herrentorte sprengen.

Geht wählen!

Ich weiß nicht, ob ich es schon erwähnt hatte: Geht wählen! Ich war eben da und wie immer bin ich ergriffen von der Möglichkeit, frei und heimlich die politische Zukunft meines Landes mitbestimmen zu können. Das ist, wie dieser Tage oft beschrieben, nicht selbstverständlich. Schon gar nicht für uns Frauen. Wir dürfen gerade mal seit knapp 99 Jahren unsere Kreuzchen machen. Und meine Mutter musste in den 60er Jahren noch ihren Ehemann mitführen, wenn sie eine Waschmaschine kaufen wollte. Ganz alleine ging das nicht, wo kamen wir denn da hin?! Das und sehr viel mehr ist heute anders. Ich führe eine richtig gute Freundschaft mit meinem Land. Meiner Stadt bin ich sogar in tiefer, leidenschaftlicher, feuriger Liebe verbunden. Beides sind Formen von Beziehung und wie immer können Beziehungen, so man sich wirklich auf sie einlässt, anstrengend sein. Erst in der vergangenen Woche habe ich eine Freundin am Montag verflucht, meine Wut bis Donnerstag ergründet und mich am Freitag gestellt. Meine mangelnde Impulskontrolle hat mir zu einem sofortigen Ausstieg geraten, und eine vereinsamte Stimme hat mich darin bestätigt, vollkommen im Recht zu sein. Dass die beiden nicht das Beste für mich wollen, ist mir längst klar. Und so habe ich das Gespräch gesucht, so wie meine doofe Freundin auch. Ja Herr Gott, das ist anstrengend und nervt. Jedes Mal wieder. Aber so sind Beziehungen eben. Auch. Und manchmal, wenn sie mich verbiegen würden, steige ich auch aus und lasse welche hinter mir. Nach Auswandern ist mir allerdings so gar nicht. Wenn ich also gerade meine Koffer packe, dann nur, um bald wieder hier zu sein, in einem lebens- und liebenswerten Land, das mir manchmal eben auch echt auf den Sack geht. Also los jetzt, ein paar Minuten habt ihr noch: Geht wählen!